Als ich letztens, drei Meter über dem Weihnachtsmarkt, so dasaß und nachdachte, beschloss ich, dass ich den Dezember nicht sonderlich mag. Die Füße kalt, die Nase verstopft. Menschen drängen, schubsen, wanken. Und haben per se nie Zeit. Die Werbung verlockt mit pittoresken Schneelandschaften,harmonischen Familien und opulenten Weihnachtsbäumen, Hausbeleuchtungen oder Festtagsmenüs. Die Realität? Zehn Grad, Sprühregen, Starkböen, Nervensägen,verknotete Lichtinstallationsartikel und Kartoffelsalat. Wobei letzteres wirklich eine Freude ist. Für mich. Nirgendwo liegen Realität und (mediale) Illusion derart nah beieinander, wie im Dezember.
Ist der Zauber der Kindertage einmal verflogen, regieren Zeitdruck, Sozialstress und Wetterchaos im Zuge der Erderwärmung. „Wann wird’s mal wieder richtig Winter?“. Ein Blick auf den mit Bauernweisheiten angereicherten (Küchen-)Kalender verrät, der Dezember hat 31 Tage. 31? Wirklich?? In meiner Wahrnehmung hat der Dezember allerhöchstens 20 Tage. Dann MUSS alles erledigt sein! Arbeit, Geschenke, Freunde treffen, Weihnachtsfeier Arbeit, Weihnachtsfeier Sport, Weihnachtsfeier Kinder, Einkäufe, Besuche, Vorbereitungen, Planungen, gute Vorsätze und, ganz wichtig, alles Böse der Welt unter den Teppich kehren.
Ein Hoch auf die Ödnis
Danach kann sich, wie aus dem Ei gepellt, um die „namenlosen Tage“ (Heiligabend bis Neujahr) gekümmert werden. „Was macht ihr an Silvester?“. „Och, am liebsten nichts mit euch …“. Ich liebe die verblüfften Gesichter und den Umstand, mitmeinen Kindern den jährlichen Silvester-Filme-Marathon-bis-alle-eingeschlafen-sind zu begehen. Silvester-Aussetzer nur noch auf vergilbten Polaroids, please.
Und der ganze Alkohol. Zum Betäuben, Vergessen und Verdrängen. Wer täglich drei Meter überm Weihnachtsmarkt verbringt, der fürchtet abends die glasigen Augen. Aber ich möchte nicht „grinchig“ sein. Ich mag es sehr, wenn es dunkel ist. Und mich mit Musik auf den Ohren durch die Menschen zu schlagen,die mal wieder Maßlosigkeit mit Besinnlichkeit verwechseln. Ohne Amazon-Pakete,Coca-Cola und Ugly-Christmas-Sweatshirts. Ohne Wham, Mariah Carey und Chris Rea.Und so sehr ich den Januar als Kind wegen seiner Langeweile und Ödnis verachtete, so sehr freue ich mich heute auf die „Blase der Stille“, die an Neujahr durch die Straßen zieht.
Weitere Gedanken von textmarka findet ihr hier in der Kolumne.
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